Bröckemännche 2019 – Rückblick auf den Neujahrsempfang
„Beethoven sollte das Bröckemännche kriegen – er würde Bonn und Beuel in der Begeisterung über sein Werk versöhnen und eine Regenbogenbrücke der Liebe zwischen den beiden Lagern stiften“, so das Plädoyer der mit dem Ehrenpreis des Bonner Medien-Clubs ausgezeichnete Prof. Dr. Nike Wagner. Die ganze Rede der Beethoven-Fest-Intendantin ebenso wie die Laudatio von Ministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen und das Grußwort von BMC-Vorsitzendem Dr. Andreas Archut sind nachfolgend dokumentiert.
Grußwort des Vorsitzenden des Bonner Medien-Clubs, Dr. Andreas Archut
BONNER MEDIEN-CLUB
Verleihung des Bröckemännche
an Professorin Dr. Nike Wagner,
Intendantin und Geschäftsführerin des Bonner Beethoven-Festes, im Rahmen des Neujahrsempfangs des Bonner Medien-Clubs
im Foyer der Deutschen Welle am 28. Januar 2019
Grußwort
des Präsidenten des Bonner Medien-Clubs, Dr. Andreas Archut
Manuskript. Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste!
Herzlich willkommen zum Neujahrsempfang des Bonner Medien-Clubs. Ihnen, lieber Herr Baumhauer, danke ich sehr herzlich für Ihre freundlichen Begrüßungsworte und für die fortgesetzte Gastfreundschaft der Deutschen Welle, die wir alle Jahre wieder sehr genießen.
Bei der Radeberger Gruppe bedanke ich mich sehr herzlich dafür, dass dies wieder kein trockener Vortragsabend zu werden droht. Auch Ihnen Danke und „Zum Wohle“!
Ich bin auch dieses Jahr wieder beeindruckt von der großen Zahl von Ehrengästen, die heute unter uns sind, und die so groß ist, dass ich gar nicht wüsste, wo ich anfangen und wo aufhören sollte, wenn ich Sie alle namentlich begrüßen sollte. Stellvertretend für Sie alle gilt daher ein froher Gruß an die „Top-Acts“ des heutigen Abends: unsere designierte Bröckemännche-Preisträgerin, die Intendantin des Beethovenfests Bonn, Prof. Dr. Nike Wagner, und an ihre Laudatorin, die Ministerin für Kultur und Wissenschaft von Nordrhein- Westfalen, Isabel Pfeiffer-Poensgen. Herzlich willkommen!
Der Neujahrsempfang des Bonner Medien-Clubs ist eine Gelegenheit, zu schauen, wie es aktuell um die Medien bestellt ist. Aus aktuellem Anlass möchte ich den Blick über die Region hinaus weiten und unsere deutsche Medienlandschaft insgesamt betrachten. Gerade erst wurde sie von einem Beben ungekannten Ausmaßes erschüttert: Kurz vor Weihnachten titelte der „Spiegel“ mit dem Wahlspruch seines Gründers Rudolf Augstein „Sagen, was ist.“ In diesem Heft machte das Hamburger Nachrichtenmagazin eine beispiellose Medienaffäre öffentlich, die sich in den eigenen Reihen abgespielt hatte: Der hochgelobte und vielgeehrte Spiegel-Reporter Claas Relotius hat wiederholt Reportagen gefälscht, indem er Details erfand, die mehr „Fake“ als „“Fakt“ waren, Geschichten erdichtete, und Personen sprechen ließ, die es nie gegeben hat.
BMC-Neujahrsempfang, Ansprache, Prof. Dr. Nike Wagner – Seite 2 von 3
Was für eine Blamage! „Ausgerechnet der Spiegel!“ mögen viele gedacht haben – die einen mit dem Unterton des Unglaubens, die anderen mit schwer zurückzuhaltender Schadenfreude. Es war Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten, die unbequeme Medien gerne als „Lügenpresse“, „Fake News“ und „Systemmedien“ bezeichnen, um sie unglaubwürdig zu machen.
Die Aufarbeitung des Relotius-Skandals kann noch lange dauern, seine Auswirkungen noch kaum absehbar. Wie sehr wird er das Vertrauen in die Medien und ihre Akteure erschüttern?
Es wäre gut, wenn dieser Fall eine Debatte über Qualität und Glaubwürdigkeit der Medien in Gang setzte. Denn eines ist doch auch klar: Nur die wenigsten Zeitungen können sich wie der Spiegel eine Dokumentationsabteilung leisten, und selbst die konnte den Betrug nicht verhindern. Bei vielen Redaktionen fehlt es ja schon an einem einfachen, funktionierenden Korrektur-Durchlauf.
In vielen Redaktionen ist Zeit offenbar ein so knappes Gut geworden, dass eigene Recherche nachgerade „Luxus“ ist. Dabei ist sie die Kernkompetenz des Journalismus, denn publizieren kann dank Facebook, Twitter und Co. heute jeder. Aber richtig recherchieren?
Journalisten sind es, die für ihre Leserinnen und Leser herausfinden, einordnen, erklären, bewerten und überprüfen sollen. Das muss auch unter wachsendem ökonomischem Druck, dem die Medien heute ausgesetzt sind möglich bleiben. Freiräume sind für Redakteure und Reporter nicht nur wichtig, sie sind auch notwendige Bedingung für Qualität.
Gerade heute brauchen wir Medien in Bestform! Hartnäckig und gründlich sollen sie sein, unabhängig, kritisch und unbequem, aber immer fair. Sich einmischen und – wo es nötig ist – , die Finger in Wunden legen. Denn nur so können sie ihre Rolle als Wächter und als Ermöglicher von Demokratie erfüllen und den Rosstäuschern und Demagogen entgegentreten, die viele Menschen in ihren Filterblasen mit Hass und Lügen füttern. Wir brauchen funktionierende Medien, um denen entgegenzutreten. Und wir brauchen mediale Vielfalt, damit Mediennutzer sich selbst ein Bild machen können.
Dies gilt auch für uns in Bonn. Hier ist vor einem knappen Jahr eine Ära zu Ende gegangen. Fast drei Jahrhunderte war die Bonner Familie Neusser verlegerisch tätig. Nun hat sie den Bonner General-Anzeiger an die Rheinische Post Mediengruppe verkauft. Die neue Eigentümerin hat erklärt, dass der Bonner General-Anzeiger weiterhin für eine starke lokale Verankerung stehen werde. Gleichzeitig solle er von der publizistischen Kraft der Rheinischen Post profitieren. Gerade beim Online-Geschäft könnte der General-Anzeiger das Knowhow seiner neuen Eigentümer nutzen, um seine Reichweite auch außerhalb des klassischen „Printbereichs“ zu vergrößern. – Lernen von Düsseldorf?! Warum nicht?
Aber zurück nach Bonn: Ein Bonner Thema, das ganz bestimmt weit über die Region hinausstrahlt, ist der bevorstehende runde Geburtstag von Ludwig van Beethoven 2020 – ein Ereignis, das kommende Generationen wohl weniger mit baulichen Triumphen verbinden werden, als mit der großen Kreativität, mit der Beethovens Geburtsstadt im engen Schulterschluss aller Beteiligten dieses Fehlen – hoffentlich! – spielend wettgemacht haben wird.
BMC-Neujahrsempfang, Ansprache, Prof. Dr. Nike Wagner – Seite 3 von 3
Womit wir – ebenso spielend – die Kurve zu unserer heutigen Preisträgerin bekommen hätten: Nike Wagner, die Intendantin des Internationalen Beethovenfestes Bonn, erhält heute die höchste Auszeichnung, die der Bonner Medien-Club zu vergeben hat. Das Bröckemännche!
Ich erinnere mich noch gut an die erste Begegnung des BMC mit Nike Wagner, die – na, ja – nicht ganz optimal verlaufen ist. Als Keynotespeakerin nahm sie 2014 bei einem Empfang für unsere Förderer kein Blatt vor dem Mund. Die „Clubregel“ des BMC schützt allerdings nur Hintergrundgespräche mit besonderer Vertraulichkeit. Und so war kurz darauf in den Bonner Tageszeitungen zu lesen, dass Nike Wagner wirtschaftliche Risiken beim Betrieb eines Festspielhauses für möglich hält, anstatt – quasi „nibelungentreu“ – zu dem damaligen Projekt zu stehen (oder sich zumindest eine Kritik daran zu verkneifen). Der Sturm der Entrüstung ließ nicht lange auf sich warten. Wir werden wohl nie erfahren, ob Nike Wagner mit ihren Befürchtungen richtig lag. Aber wir wissen, dass sich die Beethovenfest- Intendantin nicht scheut, kritische Positionen zu vertreten, selbst wenn es dafür keinen Applaus gibt.
Sie hat dann wiederholt Bröckemännche-Qualitäten bewiesen, etwa, dass sie Kritik aushalten kann. Und dass auch widrige Umstände – etwa das erwähnte Fehlen Festival- geeigneter Konzerträume – sie nicht bremsen. Aufgeben angesichts widriger Umstände kommt für sie nicht in Frage. Ein besonderes Beethovenfest-Programm für Bonn sei richtiger als ein „Allerwelts-Einkaufs- Festival“, ließ sie neulich ihre Kritiker wissen.
Wagner ist streitbar im besten Sinne des Wortes. Sie hat das Beethovenfest erfolgreich gegen Kürzungspläne verteidigt. Ausgerechnet zum Beethoven-Geburtstag wären Kürzungen ein fatales Signal gewesen. Nun soll der öffentliche Zuschuss zum Beethovenfest Bonn sogar deutlich steigen. Wenn das Publikum sein anfängliches Fremdeln mit dem WCCB als Spielstätte erst einmal überwunden hat, dann fällt hoffentlich auch das Defizit wieder geringer aus, als beim letzten Fest. Und wir sind alle gespannt, liebe Frau Wagner, was Sie dann mit den neuen Möglichkeiten anfangen werden.
Bei der Feier zu unserem 30-jährigen Bestehen sagte Nike Wagner im September 2018, kurz nachdem bekannt geworden war, dass sie das Bröckemännche erhalten soll, sie fühle sich nun in Bonn angekommen und voll integriert. Eine weitere Erfolgsgeschichte in Sachen Integration also!
Beim Stichwort Integration geht unser Blick noch einmal Richtung Düsseldorf: Von dort ist die Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW, Isabel Pfeiffer-Poensgen, zu uns gekommen. Auch sie ist in Bonn bereits sehr gut integriert – zum Beweis hat sie erst vor ein paar Tagen in Endenich den renommierten Mäuseorden erhalten.
Wir freuen uns nun auf ihre Laudatio für unsere neue Bröckemännche-Preisträgerin. Frau Ministerin, Sie haben das Wort!
Laudatio der Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, Isabel Pfeiffer-Poensgen
BONNER MEDIEN-CLUB
Verleihung des Bröckemännche
an Professorin Dr. Nike Wagner,
Intendantin und Geschäftsführerin des Bonner Beethoven-Festes, im Rahmen des Neujahrsempfangs des Bonner Medien-Clubs
im Foyer der Deutschen Welle am 28. Januar 2019
Laudatio
von Ministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen
Manuskript. Es gilt das gesprochene Wort
Sehr geehrter Herr Limbourg,
sehr geehrter Herr Dr. Archut,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Frau Professorin, liebe Nike Wagner!
Zuerst möchte ich Ihnen, Herr Limbourg, für Ihre Gastfreundschaft danken. Ich finde es sehr passend, dass der Bröckemännche-Preis im Funkhaus der Deutschen Welle verliehen wird.
Mit dem Bröckemännche hatten die Bonner den Beuelern freundschaftlich – ehrlich sagen wollen, was sie davon hielten, die heutige Kennedybrücke zuerst alleine zu bezahlen. Die Beueler bedankten sich mit einem Bonn beschimpfenden Brückenweibchen – und bezahlten übrigens ihren Anteil später doch.
Für mich bedeutet das: Wahrheiten sollten offen ausgesprochen werden. In jeder Sprache und in jedem Land. Und wir sollten dabei freundschaftlich und fair miteinander umgehen. Dafür steht auch die Deutsche Welle. Mein Dank gilt also an den Gastgebern – der Preis passt zu Bonn, und er passt zu diesem Ort.
Und der Bröckemännche-Preis passt ganz besonders gut zu Frau Professorin Nike Wagner, der Intendantin des Beethovenfestes Bonn. Ich fühle mich geehrt, liebe Frau Wagner, anlässlich Ihrer Auszeichnung mit dem Bröckemännche-Preis eine Laudatio auf Sie und Ihr Wirken halten zu können, nachdem ich Ihnen in den zehn Jahren schon so häufig in Berlin begegnet bin.
BMC-Neujahrsempfang, Laudatio, Ministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen – Seite 2 von 3
Meiner Laudatio lege ich – wie sollte es anders sein – ein Beethoven-Zitat zu Grunde. Worte übrigens, die sich der Komponist selbst aus Schillers „Don Carlos“ entliehen hatte, als er sie im Mai 1793, vor 225 Jahren, ins Stammbuch seiner Bekannten Theodora Vocke schrieb:
Wohlthuen, wo man kann, Freyheit über alles lieben, Wahrheit nie, (auch sogar
am Throne nicht,) verläugnen.
Beginnen wir beim „Wohltuen“: Der Kniff aus Sicht einer Festivalintendantin besteht ja natürlich erst einmal darin, etwas „wohl Getanes“ in die Welt zu bringen. Seit 2014 sind Sie die Intendantin des Beethovenfestes Bonn. Nach inzwischen vier eigenen Programmen beim Beethovenfest wissen wir alle hier im Saal:
Sie, Frau Wagner, tuen dem Beethovenfest und der Stadt Bonn wohl. Sie haben eine eigene Handschrift für das Festival gefunden, mit der Sie die musikalischen und politischen Bezüge ins Jetzt holen. Sie haben das Festival auf das fokussiert, was aus meiner Sicht das Wesentliche ist, nämlich auf die Relevanz der Kunst, der aufgeführten Musik. Das spürt man als Festivalbesucher. Sie haben ein sehr gutes Gespür dafür, was genau das „Wohltuen“ beim Beethovenfest sein sollte.
Welche Musik und welche Musikerinnen und Musiker künstlerisch relevant sind für ein internationales Festival, ist nicht leicht zu sagen – auch wenn das Kritikerinnen und Kritiker natürlich anders sehen würden. Aber Sie, liebe Frau Wagner, verteidigen die Freiheit der Kunst auch gegen flache oder nur haushälterische Kritik. Sie nehmen diese Freiheit als Verantwortung auf.
In unserer Generation ist das ja eigentlich noch selbstverständlich, aber ich sage es besser noch einmal laut: Die Verantwortung, in freier Entscheidung ein demokratisches Festivalprogramm zu gestalten, das auch Neues wagt. Ohne die Kunst zu politisieren oder zu instrumentalisieren, sondern vor allem ihre Exzellenz für sich sprechen zu lassen.
Dabei bleiben Sie dem Kern des Beethovenfestes mit seiner Interpretations- und Wirkungskultur treu, denn Freiheit ist nicht Beliebigkeit. Die künstlerische Freiheit hat auch nichts mit politischer Ignoranz zu tun. Im Rheinland haben das zum Beispiel Heinrich Heine oder Joseph Beuys zum Ärger ihrer „Fürsten“ ausgelebt. Karlheinz Stockhausen brauchte die Gunst des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und flog auch einmal aus seiner staatlich alimentierten Stelle.
Ich bin daher sehr gespannt auf die Ausstellung zu „Musik und Politik“, die 2020 im Rahmen des Beethoven-Jubiläums im Haus der Geschichte gezeigt wird und genau dieses spannungsvolle Wechselspiel zum Thema hat. Die Verteidigung der Freiheit der Kunst verstehe ich als einer meiner Kernaufgaben als Kulturministerin. Und ich wünsche mir Künstlerinnen und Intendantinnen, die die Freiheit der Kunst ausfüllen.
BMC-Neujahrsempfang, Laudatio, Ministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen – Seite 3 von 3
Damit komme ich zum dritten und letzten Punkt, der Wahrheit. Ich glaube die Kunstfreiheit, für die Sie, liebe Frau Wagner, mit Ihrer Arbeit stehen, geht mit Ihrer unbedingten Wahrheitsliebe zusammen. Wobei für Sie gilt: Eine Wahrheit zu verschweigen, ist nur eine andere Form der Lüge. Sie haben auch schmerzhafte Wahrheiten und Überzeugungen laut und deutlich gesagt, zu Bayreuth und dem Nationalsozialismus, zur Innovationskraft von geschlossenen Zirkeln alter weißer Männer, zu den vielfältigen Abhängigkeiten an Hochschulen oder zu den Betriebskosten für einen Festspiel-Ort, die nämlich nicht den künstlerischen Etat auffressen dürfen. Was mich sehr beeindruckt: Sie sagen Unbequemes nicht, wenn Sie gefragt werden, sondern wenn es sonst nicht deutlich genug gehört würde.
Für Sie, Frau Wagner, gilt die Wahrheitstreue noch auf zwei weiteren Ebenen: Zum geht aus Ihrem Wirken die Überzeugung hervor, dass Kunst wahrhaftig sein muss, um zu überzeugen. Zum anderen gilt die Wahrheitstreue auch und gerade für den Bereich der Wissenschaft, der Sie ebenfalls verbunden sind. In Ihrer Forschungstätigkeit zur Kultur- und Geistesgeschichte stellen Sie wahre Behauptungen im wissenschaftlichen Sinne auf.
Ganz egal, auf welcher Ebene: Sie sprechen die Wahrheit, ob am Throne einer Autorität, der Moral, der Politik, der Wissenschaft oder der Kunst.
Sie, Frau Wagner, haben einen klaren Kompass, sind unbeirrbar, ohne starrköpfig zu sein. Das ist übrigens eine typisch rheinische Eigenschaft, darf ich als Aachenerin sagen. Vielleicht hatten manche in der Stadt Bonn Hoffnungen, eine Nicht-Rheinländerin könnte zum Beispiel bei einer allfälligen Spardebatte pflegeleichter sein. Pustekuchen, würde ich sagen.
Diese Erfahrungen haben schon die Weimarer gemacht. Dafür ist Ihre Freude an Ihrer Aufgabe viel zu groß, als dass Sie sich da hätten die Mittel abgraben lassen. Und entsprechend groß ist meine Vorfreude auf Ihre Programme für das Beethovenfest 2019 und natürlich im Jubiläumsjahr 2020.
Damit fügt sich in Beethovens Zitat und in Ihrem Lebenslauf, Frau Professorin Wagner, die große Nähe von schöner Kunst und kluger Politik zusammen.
Die vier Zeilen lassen sich ja von der Politik und von der Kunst aus lesen:
Wohlthuen, wo man kann, Freyheit über alles lieben, Wahrheit nie, (auch sogar
am Throne nicht,) verläugnen.
Ein guter Mensch sein, die Freiheit immer und überall verteidigen, und auch gegen alle Autorität immer wahrhaft sprechen. So verstehe ich Beethovens Stammbuch-Eintrag von 1793. Und so leben und arbeiten Sie heute. Dafür erhalten Sie den Bröckemännche-Preis 2019 des Bonner Medienclubs.
Genug jetzt also der Worte. Liebe Frau Wagner, kommen Sie bitte zur Übergabe des Preises aus den Händen von Herrn Dr. Archut und mir nach oben.
Ansprache der Preisträgerin, Prof. Dr. Nike Wagner
BONNER MEDIEN-CLUB
Verleihung des Bröckemännche
an Prof. Dr. Nike Wagner,
Intendantin und Geschäftsführerin des Bonner Beethoven-Festes, im Rahmen des Neujahrsempfangs des Bonner Medien-Clubs
im Foyer der Deutschen Welle am 28. Januar 2019
Ansprache
der Preisträgerin, Prof. Dr. Nike Wagner
Manuskript. Es gilt das gesprochene Wort.
Liebe und verehrte Frau Ministerin, haben Sie vielen herzlichen Dank für das Verständnis, das Sie meinen Bonner Bemühungen entgegenbringen!!
Verehrte Damen und Herren vom Medienclub,
wie heißt es doch bei Hans Sachs, dem berühmten Schusterpoeten in Wagners „Meistersingern“, nachdem die Huldigungsrufe des Volkes an seine Person abgeebbt sind? „Euch macht Ihr ́s leicht“ – singt er „mir macht Ihr ́s schwer / gebt Ihr mir Armen zuviel Ehr“…
Ähnlich möchte ich es auch ausdrücken. „Ihr gebt mir zuviel Ehr“ – ein ebenso tonnenschweres wie lokalgeschichtsträchtiges, ein ebenso rüpelhaftes – man denke an seinen Götz von Berlichingen-Gestus – wie höchst berechtigt zurückschlagendes, weil finanziell von Beuel im Stich gelassenes Wesen wie das Bröckemännche… für eine Zugereiste, die weder was vom Karneval versteht noch im katholischen Ritus firm ist, den Rhein allenfalls aus dem „Rheingold“ – Vorspiel kennt und – eigentlich – dran schuld ist, daß das große schöne Festspielhaus in Bonn nicht gebaut werden konnte – obendrein: das „Pantheon“ nicht in die Beethovenhalle durfte! Und die, was viel schlimmer ist, erst aus dem GA lernen durfte, daß das Wort „Hochkultur“ hier ein „politischer Kampfbegriff für Sportler“ sei.
Nicht einmal eine grundlegende Tatsache scheint die Preisträgerin begriffen zu haben, daß nämlich – außerhalb der rauflustigen Haltung der Sportler – hier im Prinzip der Heraklitische Hauptsatz gilt, daß „alles fließt“. Ein Ausdruck in der Online-Zeitschrift „Opernnetz“ hätte sie mißtrauisch machen sollen: Nike Wagner habe eine „negative Bugwelle“ ausgelöst mit ihren „Kassandra“- Rufen, was das „Kulturnutzungsverhalten“ – bei zusätzlichen neuen Riesen- Konzertsälen in Bonn betreffe. Schon zu Beginn meiner Intendantentätigkeit – 2014 – wurde meine „Götterdämmerung“ in Bonn eingeläutet, 2018 kehrten solche hohen Vergleiche in den Social Media aus anderen Gründen wieder.
BMC-Neujahrsempfang, Ansprache, Prof. Dr. Nike Wagner – Seite 2 von 3
Daß „alles fließt“ mag andernorts auch so sein, zumindest was das Vergehen der Zeit, das Verhalten von Kapital- und Datenströmen und von mehrheitlichen Entscheidungsfindungen anbetrifft. Aber in Bonn scheint mir alles besonders flüssig zu sein. Woge Du Welle … gestern noch Feind, heute schon Freund, gestern Subventionskürzung, heute wieder Sonnenschein, Geheimhaltung? Aus Aufsichtsräten wird gern mal an die Öffentlichkeit „durchgestochen“ – nein, das Wort ist zu hart: wird gern mal „durchgeschunkelt“ – und besonders auffällig für eine Zugereiste, an Karl Kraus geschulte Zeitungsleserin ist, wie der Begriff des „Millionengrabs“ hier zu universeller Verwendbarkeit herumliegt / herumschwimmt: mal visionär-bedrohlich für ein neues Festspielhaus mal bitter-realistisch für das WCCB, ein andermal für das, was aus der alten, nun bald neuen Beethovenhalle noch werden wird, es kann aber auch die Oper treffen.
Es schaukelt und schunkelt in Bonn: Erbschaft einer diplomatischen Tradition vielleicht und aus großer Zeit? So viele Clubs, Verbände und Vereine gibt es hier – „ver-einen“ scheint die Devise … so daß mir, denkt man diesen basisdemokratischen Grundgestus durch – eine Auszeichnung, die doch einem antikonsensualen Verhalten, einem „Wider-den-Stachel-löcken“ gelten soll, a priori ein Unding zu sein scheint. Gegen fließende Gewässer hilft kein mahnender Zeigefinger, kein Strohhalm und kein Brückenpfeiler – da gibt’s nur das lebensrettende Mitschwimmen.
Ist Ludwig van Beethoven ein Mitschwimmer gewesen? Ein Korken auf Rhein und Donau? Das würden nicht mal die Ahnungslosen unter seinen Anhängern behaupten, auch nicht die, die ihn so gern umarmen als Lieferant der „Marke Beethoven“…
Wobei es der große Sohn der Stadt nicht einmal hier leicht macht. Ich berichte wahrheitsgetreu: Neulich stöhnte ein kulturell versierter Manager, daß Beethoven so schwer zu vermarkten sei, weil er auf keiner Darstellung ein freundliches Gesicht mache, immer nur strubbelig und schlecht gelaunt…wie soll man den 2020 unter die Leute bringen? Ich hielt entgegen: das sei ja gerade das Herrliche an Beethoven! Ein Komponist sei kein Schönwetterfrosch; außerdem zähle nicht die Verbindlichkeit der Gesichtszüge, sondern die Qualität seiner Kompositionen. Und da gebe es doch so manches, was uns froh macht: die einen lieben die Pastorale, lauschen dem Vogelsang darin und dem Gewittergrollen, die anderen können von der „Eroica“ nicht genug bekommen und würden am liebsten noch die donnernde Fünfte hinterdreinschicken; wieder andere befriedigen ihr Moderne-Bedürfnis am wahrhaft unerbittlichen Gegeneinander-Kratzen der Streichinstrumente der späten Quartette, vierte und fünfte schwören auf die wirbelige siebte Sinfonie und im Song of Joy bzw. in der Neunten Sinfonie finden sich dann alle wieder.
Wie hat der alte Grantler Ludwig van Beethoven das geschafft – so beliebt zu sein, weltweit beliebt – und hat doch immer wieder gegen alle möglichen Stachel gelöckt? Gegen die aristokratische Vereinnahmung nicht anders als gegen die bürgerlichen Musikverleger – gegen die Wiener Hausbesorgerinnen nicht anders als gegen die Hör-Gewohnheiten der Musikfreunde. Immer ist er ein rücksichtsloser Neuerer gewesen – hat dem ganzen 19. Jahrhundert ein „Sinfonieproblem“ in die Wiege gelegt und auch die Moderne konnte sich nicht vor ihm drücken. Arnold Schönberg hat seinen Schülern anhand der Beethovenschen Werke Musikunterricht erteilt, und wenn ich heutige Komponisten – Vorsicht: aus der “Hochkultur!“ – bitte, sich ein Beethoven-Werk zur Referenz zu nehmen, so geschieht das voller Verehrung.
BMC-Neujahrsempfang, Ansprache, Prof. Dr. Nike Wagner – Seite 3 von 3
Beethoven sollte das Bröckemännche kriegen – er würde Bonn und Beuel in der Begeisterung über sein Werk versöhnen und eine Regenbogenbrücke der Liebe zwischen den beiden Lagern stiften – womöglich auch die Sportler in seinen Bannkreis ziehen oder zumindest klarstellen, daß auch Hochkulturmenschen gerne Radfahren.
Ich bin nur und auf Zeit Beethovens winzig kleiner Stellvertreter auf Erden in Bonn. Daß ich mich aber kindlich freue, daß ich – für den grade mal abwesenden Komponisten – die heutige Anerkennung entgegennehmen darf, das sei laut gesagt. Ich freue mich darüber, daß mein Beethovenfest damit ebenfalls geehrt wird, ich freue mich über dieses Zeichen einer – milden – Integration in die hiesige Bürgergesellschaft, ich nehme die Auszeichnung auch als Versprechen dafür, daß die Journalisten und Medienmenschen das Beethovenfest weiterhin solidarisch- kritisch begleiten, jenseits von Gehörtem/Geschwätztem/Dahergeflossenem, jenseits von Politik und Polemik – und diesseits der Kunst, der Musik in Geschichte und Gegenwart.